Erfahrungsbericht zur 3-tägigen Fortbildung „sitzender Skilauf“ vom 25.-27.11.2016 auf dem Kaunertaler Gletscher in Kooperation des DSV, DSLV und DBS

Es waren drei sehr spannende, lehr- und erfahrungsreiche Ausbildungstage mit den Ausbilderinnen Gerda Pamler (DBS) und Bettina Mössenböck (ÖSV)

 

 

Acht LehrgangsteilnehmerInnen trafen sich zum Lehrgangsbeginn am Donnerstagabend im Seminarraum des barrierefreien Sport-Hotels Weißseespitze in Platz am Taleingang. Die kurze Vorstellungsrunde verriet, dass die Gruppe bunt gewürfelt von Berlin bis München wohnhaft, ausgewogen gemischt (5 Männer und 3 Frauen + 2 Ausbilderinnen) aus den unterschiedlichsten Beweggründen zum Lehrgang erschienen. Einige aus absoluter Neugier um „einfach mal was anderes kennenzulernen“, „ich möchte mich im Bereich Skilauf für Menschen mit Einschränkungen ausbilden“, bis hin zu „wir sind schon erfahren und begleiten bereits Skifreizeiten mit Kindern im sitzendem Skilauf und möchten unser Wissen erweitern“. Am Samstag gesellten sich noch zwei männliche „Wiederholungstäter“ zur Auffrischung ihres Wissens dazu. Einer ist bereits Instruktor des Behindertenskilaufs.

Maß nehmen – „ein Sitzski muss sitzen wie ein Skischuh“, das war nun angesagt. Gerda und Bettina stellten uns live die unterschiedlichen Ski-Modelle vor, die wir dann auch in den drei Tage in unterschiedlichen Gruppierungen testen durften: BI-Ski Dynamique, Dual-Ski, Mono-Ski, HOC mit/ohne Federung/Dämpfung und daher höher/tiefer sitzend, mit unterschiedlichen Bügelsystemen zum Pilotieren für den Begleiter. Je nach Modell gibt es unterschiedliche Sitzschalen für jedes Alter bzw. für jede Sitztiefe und -breite in den Ausführungen kids, child, junior, adult and x-long.


So vermaßen wir uns gegenseitig in der Hüftbreite, in der Sitztiefe und der Unterschenkellänge um dann die passenden Sitzschalen von 34-42 cm und den Oberschenkellängen kurz oder lang und damit die „Hüft-Paare“ für den ersten Skitag zu finden. Schließlich soll der Sitzski dem Nutzer so angepasst sein, dass er direkten und engen Geräte-Körper-Kontakt hat, aber auf keinen Fall Druckstellen oder gar Quetschungen erzeugt. Das war dann noch nicht alles: Gerda erklärte uns auch noch die Funktionalität und Anpassung der Krückenski (Flic-Flacs), die z.B. zur Stabilisierung im Stand, zum Anschieben, zur Schwungeinleitung und zur Balance beim Sitzskilauf wichtig sind. Die Unterarmlänge wurde gemessen. Die Manschette ist unterhalb des Ellenbogens und im senkrechten Sitzen sollten die Arme leicht angewinkelt sein. Der Begleiter wurde mit Kurzski (maximal 1 m Länge) ausgestattet. All das Material inklusive Hilfsutensilien wie Vario-Gummibänder, Hüftgurte zum Liften, Liftseile, Karabinerhaken, Werkzeugtäschchen mit allerlei Schlüsselgrößen und Inbusse etc. wurden auf die Großraum-Autos verteilt – ein Van bzw. Bus ist fast unumgänglich. In der „Pole-Park-Position“, direkt am Schnee parken zu dürfen ist wichtig, sodass die doch schweren Geräte nicht mehr weit getragen werden müssen.

 

Im Schnee suchten wir uns eine Ebene, in der uns Bettina und Gerda zeigten, wie man die Fuß-, Bein-, Hüft-, Oberkörperbänder löst, das Umsteigen aus einem Rollstuhl heraus in den Sitzski meistert, wie der Begleiter dabei mit dem Rautekgriff unterstützen kann, wie die Bänder sinnvoll von unten nach oben geschlossen werden, wie die Sitzschale beim Monoski in Vorlage gezogen werden kann, um dann die gute Vorlagen-Position des Oberkörpers zu erreichen, wie man den Panikhaken löst bzw. der Begleiter ihn beim Liftausstieg auslösen kann. Puuuh, und nun ist man gut eingepackt (es gibt auch Wärme-Säcke, damit der Sitzende nicht so schnell auskühlt) – und ist erst einmal auf Hilfe angewiesen. Das Gerät scheint wackelig und kippt leicht um, wenn man sich nicht gut stützt. Man kommt selbst schiebend zunächst kaum vorwärts. Gott sei Dank habe ich eine tolle Begleiterin, die mich dann über den Schiebe-Bügel oder die Sitzschale direkt heben konnte, schiebt und stabilisiert, steuert und reguliert, bis sich das Gefühl für den Sitzski einstellt und man selbst in der Lage ist, diesen zu steuern. Wir starteten mit Aufwärmübungen der Arme, versuchten uns selbst im Kreis zu drehen, wir wurden von unseren Begleitern in der Ebene gezogen und wir übten das Liften und Lösen des Panikhakens. Ein spannender Moment, wenn das nicht klappt, landet man dann in den Liftstangen am Ausstieg? Nein, eine Person wird immer oben am Not-Aus-Knopf stehen um genau dies dann zu verhindern.

 

Das erste Schussfahren übten wir danach neben dem Förderband im Kindergelände. Die ersten Kurven nach rechts und links gelingen beim BI-Ski z.B. durch kippen der Hüfte bergwärts und der Ausgleichsbewegung des Oberkörpers. Sind die Bewegungen zu heftig, kommen die Ski direkt auf der Kante zum Einsatz und der Sitz übersteuert leicht. Aber auch das Driften mit ganz flach gestellten Ski lernten wir, mehr und mehr die Ober-Körperbeherrschung und dazu ein angepasstes Gleichgewichtsgefühl. Der Begleiter unterstützt immer dann, wenn man umzufallen droht, zu schnell wird oder die Kurve nicht da schafft, wo man sie geplant hat. Zunächst ist der Helfer sehr eng mit dem Schützling verbunden. Dann kann man sich über das gespannte, kurze Vario-Band schon etwas Abstand verschaffen und somit den Fahrer schon mehr selbst agieren lassen. Mit längerem Vario-Band ist der geübtere Fahrer dann schon in der Kurvenfahrt auf sich selbst gestellt. Der Begleiter schwingt oberhalb, synchron. Und sollte der Sitzende stürzen, so kann der Begleiter durch das Aufziehen am Krückenski, dem „Käfer auf dem Rücken“ schnell wieder aufhelfen. Das Stürzen übten wir natürlich auch vorab in der Ebene, es ist sehr wichtig, sich ja nicht auf der Hand oder Ellbogen abstützen zu wollen. Schulterverletzungen und Gelenkbrüche wollen wir tunlichst vermeiden! Wir bewiesen alle, dass das Umfallen nicht nur beim Üben blieb.

Mit jeder Abfahrt steigerten wir unser Vertrauen zu den Geräten. Wir wurden schneller, wendiger, die Kurven wurden enger, der Begleiter musste weniger stark mitregulieren – was für ein herrliches Gefühl! Gerda unsere Ausbilderin, fuhr uns als Profi-Mono-Skifahrerin exzellent vor und zeigte „Step by Step“ das Steuern. „Der talseitige Krückenski wird nach vorn ausgestreckt und vom Sitzski weg ca. 90° nach außen gekippt, das löst beim Mono die Kurve aus. Der bogenäußere Krückenski hält man eher etwas nach außen weg vom Sitz, beide haben immer Schneekontakt; der Körper steuert dagegen, „taloffen““.

 

Total schön an den Geräten ist, dass diese pilotiert werden können, wenn die Behinderung kein selbständiges Fahren ermöglicht. Der Schützling braucht selbst nichts können, er wird gefahren, er kann einfach genießen.

Sollte es so sein, dass ein Fahrer Vitalität in den Armen und auch im Oberkörper hat, so kann er durchaus lernen, z.B. mit einem Monoski zu fahren. Dieser kann dann nur noch unterstützend von der Begleitperson an der Sitzschale gehalten bzw. mit dem Vario-Band die Fahrten gesichert und gebremst werden. Bettina demonstrierte und lehrte uns viele Tipps und Tricks, die für den Begleiter sehr wichtig sind.

Bettina und Gerda im Doppelpack klärten uns abends in den Theorieeinheiten über die möglichen Erkrankungen auf, die zu Lähmungen führen, ergänzten dazu eben die notwendigen Anwendungen, die dann während des Anpassens des Geräts und dann zum Skilauf zu beachten sind.

 

Eine weitere Theorieeinheit war dann auch das Sessel-Liftfahren mit dem Sitzski, spannend und kaum vorstellbar, wie ein „Sitz auf den Sitz“ geparkt wird und das im fahrenden Umlaufbetrieb des Sessellifts. Sitzski haben Fernentriegelungen, wird diese geöffnet kann sich der Sitzende durch hochstützen und nach vorne lehnen, in die Sesselliftposition hochdrücken. So geht es durchs Drehkreuz und sobald der Sessel angefahren kommt, wird der Sessel vom Begleiter nach hinten geschoben bzw. abgebremst und fährt unter die Sitzschale und „ladet“ somit den Sitz-Skifahrer auf. Der Oberkörper wird dann aufgerichtet und evtl. noch etwas im Sessel zurückgeschoben, Bügel herunter – Achtung Kopf weg – und schon schwebt man gemeinsam nach oben. Der Sitzskifahrer benötigt Platz um sich herum, um sich mit den Krückenski abstützen zu können. Man darf nicht schüchtern sein und sagt an, dass man am allerbesten alleine mit dem Begleiter liftet oder dafür sorgt, dass ein Sitz frei bleibt und als Erster absitzen darf. Der Sitzskifahrer ist auch am besten in der Mitte aufgehoben. Oben dann (der Ausstieg wird nochmals spannend) benötigt der Sitzende Platz um sich nach vorn abstoßen zu können. Man hilft ihm maximal an der Schale und der Sitzski wird dann wieder nach unten eingerastet. Ab geht die Fahrt!

 

Es ist ratsam sich im Skigebiet vorab zu erkundigen, ob eine Beförderung überhaupt durchgeführt wird. Nicht alle Schlepplifte und Sessellifte sind dazu geeignet und somit ist der Transport nicht möglich.

Das Schleppliftfahren durften wir alle praktisch üben. Der Begleiter ist zum Liften ganz eng über ein Seil hinter dem Sitzski mit seinem Schützling verbunden. Der Schleppliftbügel wird von oben nach unten in eine Lift-Band-Schlinge eingehängt, die am Sitzski vorn rechts und links befestigt ist. Mit den Krückenski stabilisiert man sich und lässt diese im Schnee mitfahren. Na, am dritten Tag lifteten alle Teilnehmer alleine.

Auch das Abfahren beherrschten wir am Sonntag auf der blauen Piste schon ganz passabel, alle konnten frei, also ohne direkte Verbindung mit unseren Begleitern, abfahren – was für ein tolles Gefühl!

 

Der Lehrgang wurde durch eine hervorragende Unterbringung abgerundet. Nach der Rückkehr im Hotel durfte man sich am Jause-Büffet mit Kuchen oder auch Salzigem stärken. Abends wurden wir mit einem Vier-Gänge-Menü verwöhnt, dazwischen konnte man sich im Wellness-Sauna-Bereich entspannen.  Nach den Theoriestunden trafen wir uns noch zu lustigen Gesprächen an der Bar und ließen den Abend ausklingen. Drei Tage intensives Programm waren ruckzuck vorbei. Für solch ein Lehrgang wünschten wir uns noch mindestens einen weiteren Tag. Das Hauptaugenmerk, zu lernen wie man sich als Betreuer bestmöglich verhält und pilotiert und die dazu notwendigen Paarwechsel, sodass alle Teilnehmer alles lernen und üben konnten, benötigen Zeit. Auch die Sitzski passend auf den Fahrer anzupassen, das Schrauben und die Bänder anbringen, den Fahrer einpacken und anschnallen braucht nochmals Zeit. Das Lernen und Üben sich selbst mit dem Sitzski bewegen zu können und Kurven hinzubekommen ist dann die Belohnung, und sollte nicht zu kurz kommen.

Fazit: „Sofort wieder“! Wann wird es einen Aufbau-Lehrgang geben? Wann können wir das Gelernte festigen und wiederholen? Alle Teilnehmer waren sich einig, gerne wieder dabei zu sein!

DANKE an Gerda Pamler (selbst im Rollstuhl und somit ein hervorragendes Vorbild; sie bewegt sich professioneller wie manch Andere mit zwei gesunden Beinen) und an ihre Begleiterin Bettina Mössenböck, beide hervorragende Trainerinnen und Expertinnen auf dem Gebiet des sitzenden Skilaufs!

Antje Schaupp (Teilnehmerin)